März 2071: Ein Gespräch mit Opa

März 2071: Ein Gespräch mit Opa

Wir haben das Jahr 2071. Der kleine Nick ist gerade 8 geworden. Er ist zu Besuch bei seinem 70-jährigen Opa und blättert neugierig ins Fotoalbum, das auf dem Couchtisch liegt.
Marheinekehalle, März 2021

Am Ende des Gesprächs könnt Ihr das komplette Fotoalbum von Opa sehen.

Nick: Sag mal, Opa, warum haben die Leute auf dem Bild Masken auf dem Gesicht?
Opa: Weil damals im Jahr 2021 war seit einem Jahr ein Virus, das Corona bzw. Covid-19 hieß. Deswegen durfte man keinen Kontakt haben. Das Virus konnte sich über die Luft gut verbreiten. Schwebende Virus-Teilchen waren in der Luft und sie konnten eingeatmet werden. Die Masken sollten das verhindern.

Aber war es gefährlich, dieses Virus?
Ja, es war gefährlich. Allerdings nicht für alle. Gerade wenn man alt war oder gesundheitliche Probleme hatte, war es gefährlich. Wenn man komplett gesund war, war es weitgehend ungefährlich.

Und hattest du Angst?
Ja, schon ein bisschen, aber nicht so richtig um mich.

Für wen hattest du Angst?
Für meine Großmutter und meine Urgroßmutter hatte ich Angst.

Waren Sie damals schon alt?
Na ja, meine Urgroßmutter wurde eine lange Zeit lang nicht geimpft. Sie wohnte damals in einem Ort, wo viele Leute über 80 waren. Selber war sie damals 94 und wenn sie sich mit dem Virus infiziert hätte, wäre sie schnell tot gewesen.
Bei meiner Großmutter war das Ansteckungsrisiko nicht so schlimm aber das wäre trotzdem nicht gut gewesen. Meine andere Großmutter arbeitete damals im Krankenhaus und war kurz vor der Rente. Zu ihr ist ein Impf-Bus aus Sachsen gekommen, also eine Art mobile Impfstation. Und zwar kam der Bus ausgerechnet vom Ort, wo meine Urgroßmutter wohnte.

Ein Impf-Bus ist gekommen?
Ja, weil es in Sachsen behauptet wurde, dass der Impf-Bus dort nicht benötigt wurde, was nicht stimmte.

Was stimmte nicht?
Es hieß, der Bus wurde nicht benötigt und deswegen wurde er von Sachsen nach Baden-Württemberg gefahren, obwohl es in Sachsen ziemlich gebraucht gewesen wäre, gerade im Erzgebirge.

Musstest du auch als Kind so eine Maske tragen? Die ganze Zeit?
Also in Deutschland war keine durchgehende Masken-Pflicht. Man musste nicht überall eine Maske tragen, aber man musste z.B. in Restaurants eine tragen. Nach einer Zeit musste ich auch in der Schule eine Maske tragen.

Und konntest du die Leute erkennen, wenn alle eine Maske trugen?
Die Leute, die ich gut kannte, konnte ich erkennen, damit hatte ich kein Problem. Aber aus weiter Entfernung konnte ich nur sehr, sehr gute Freunde oder meine Familie erkennen.

Und was passierte damals, wenn man keine Maske trug?
Wenn die Polizei das gesehen hat, musste man an manchen Orten eine Strafe zahlen

Konnte man dafür ins Gefängnis gehen?
Nein, das nicht, aber man musste eine hohe Strafe zahlen.

Passierte das oft? Oder haben alle mitgemacht? Wollten alle die Maske tragen?
Nein, es gab auch viele Leute, die das nicht mochten und dann sind die auch auf die Straße gegangen und haben demonstriert.

Wogegen haben sie demonstriert?
Sie wollten wieder mehr Freiheit haben und viele Leute haben zum Teil auch bezweifelt, dass es den Virus überhaupt gab.

Heißt das, dass Du damals nicht frei warst?
Nein, nur  in unseren Bewegungen waren wir nicht so frei wie sonst, weil es halt auch zweimal ein Lockdown gab. Dann musste man halt zu Hause bleiben und es gab keine Schule.

Was war das, ein „Lockdown“?
Der Lockdown bedeutete, dass wir alle zu Hause bleiben sollten. Viele Geschäfte und Cafés wurden geschlossen. Es waren nur noch die Supermärkte offen.

Aber wenn so viele zu Hause bleiben mussten, konnten die Leute arbeiten?
Sie haben oft Videokonferenzen gemacht und so gearbeitet.

Und in den Supermärkten? Haben da Roboter statt Menschen gearbeitet?
In den Supermärkten haben auch immer noch Menschen gearbeitet, aber hinter einer durchsichtigen Plastikwand.

Aber wie sind die Sachen überhaupt in den Supermarkt angekommen?
Sie wurden immer noch ganz normal von den Bauern und von den Herstellern geliefert.

Wenn so viele nicht arbeiten durften, hatte man keine Angst, dass das Essen knapp wird?
Ja, am Anfang hatten viele Leute Angst. Aber der Staat hat gesagt, dass diese Angst unberechtigt ist. Trotzdem haben die Leute ganz viele Sachen eingekauft, sodass die Supermärkte ganz oft leer waren.

Was habt Ihr gemacht, wenn die Supermärkte leer waren? Hast Du Angst gehabt, dass es kein Eis mehr gibt?
Es waren vor allem die Konserven Produkte, die ganz viele gekauft wurden, weil sie am längsten halten. Dafür konnte man immer noch ganz viele frische Sachen kaufen, also hat man frische Sachen gegessen.

Im Lockdown gab es also auch keine Schule?
Im ersten Lockdown, ungefähr von März bis Juni 2020, war fast alles zu. Nur noch die Supermärkte waren noch offen. Fast musste jeder von zu Hause arbeiten. Es gab keine Schule, aber das hieß nicht, dass man Freizeit hatte und zu Hause abhängen konnte, sondern man musste Homeschooling machen. Das bedeutet, dass man von Zuhause Schule machen musste. Da hat man von den Lehrern Arbeitsblätter geschickt bekommen.
Diese musste man ausdrucken und bearbeiten.

Was bedeutet ausdrucken?
Ausdrucken heißt, dass man die Arbeitsblätter mit einem Drucker ausdruckt, dass man die geschickten Arbeitsblätter auf einem Drucker überträgt.

Was ist ein Drucker?
Hast du nie einen Drucker gesehen? Ein Drucker war damals ein Gerät, womit man die Sachen, die man auf dem Computer sah, auf Papier übertragen konnte. Es war wie drauf gestempelt.

Wenn es schon auf dem Computer war, warum habt ihr das nochmal auf dem Papier gehabt?
Weil man das am Computer nicht bearbeiten konnte. Man konnte nicht auf dem Computer schreiben.

Waren die Kinder also zu Hause eingesperrt, wenn es keine Schule gab?
Im Gegensatz zu anderen Länder, wo es strenger war, durften wir in Deutschland eigentlich immer raus aber es war klug, zu Hause zu bleiben, damit man sich und anderen nicht ansteckt. Die meiste Zeit waren wir schon zu Hause eingesperrt. Mein Bruder, meine Eltern und ich hatten eine relativ große Wohnung, sodass es bei mir nicht so schlimm war, wie vergleichsweise Kinder mit drei Geschwister, beiden Eltern und viel weniger Platz. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das für diese Kinder war.

Haben sie sich dann gestritten?
Ich hab mich mit meinem Bruder relativ oft gestritten also kann mir auch vorstellen, dass sich auch andere gestritten haben.

Aber war es schön oder war es nicht schön, nicht zur Schule zu müssen?
Man hatte ja immer noch Aufgaben. Für mich selbst, ob es schön war oder nicht, weiß ich nicht. Ich kann mir vorstellen, dass viele das ziemlich blöd fanden.

Konntet Ihr zu Hause wirklich was lernen oder musstet Ihr die Klassen wiederholen?
Also wir haben zu Hause weiter Unterricht gehabt. Wir hatten Videokonferenzen, auch wenn meine Klasse das damals selten und erst am Ende gemacht hat. Wir haben in der Schule immer wieder Materialien geholt und damit zu Hause gelernt.

Auf einem Bild steht „Abstand halten“. Was bedeutet das? Wovon Abstand?
Der Virus war ziemlich ansteckend, sodass, wenn man sich mit fremden Leuten zu nahe gekommen ist, konnte es halt sein, dass die sich schon mit anderen getroffen hatten, die den Virus hatten. In dem Fall konnte man es ganz schnell kriegen und weiterverbreiten. Wenn man dann das Virus hatte, musste man ganz lange in Quarantäne – 2 Wochen.

Durfte man also niemanden umarmen?
Nein, also im Quarantäne zumindest musste man zu Hause bleiben und durfte nur mit den Leuten aus seinem Haushalt Kontakt haben. Und auch jenseits der Quarantäne musste man körperliche Kontakte vermeiden.

Durftest Du also in der Quarantäne mit deinen Freunden nicht mehr spielen?
Nee, man musste dann zwei Wochen zu Hause bleiben.

Hat man seine Freunde dadurch nicht verloren?
Nein, weil sie das verstanden haben. Anders ging es nicht.

Und wie lange hat das alles gedauert? Wie lange seid Ihr so mit Masken herumgelaufen, ohne dass man jemanden nah kommen durfte?
Das war einmal von März bis Mai 2020, also drei Monate, schon eine lange Zeit. Und danach noch mal von Oktober bis März 2021.

War es danach vorbei? Ist der Virus verschwunden?
Danach war das Virus immer noch da, aber es wurden schon ganz viele Leute geimpft. Deshalb war es für die am schwersten gefährdeten Leute nicht mehr so gefährlich. Der Virus war noch da aber es sind nicht mehr so viele dadurch gestorben.

Und Du, wurdest Du geimpft?
Ich wurde zu der Zeit noch nicht geimpft, weil die Impfstoffe erst mal getestet werden mussten. Man wusste noch nicht, wie viel Impfstoff für Kinder benötigt wurde, denn Erwachsene brauchen mehr Impfstoff als Kinder.

Wurdest du also später geimpft?
Ja, ich wurde später geimpft.

Hat es weh getan?
Das hat ein bisschen gejuckt

Warst Du verpflichtet, Dich impfen zu lassen? Waren alle verpflichtet?
Nein, das war freiwillig. Manche haben es auch nicht gemacht, aber viele wollten das machen. Es war in Deutschland am Anfang ein ziemliches Chaos, weil Impfstoffe zwar da waren, aber sie kein richtiges Konzept hatten, wie sie die Leute impfen wollten. In anderen Länder war es besser organisiert.
Außerdem waren die ganz alten und kranken Leute dran und erst dann die jungen Leute. Die alte und kranke Leute konnten sich nämlich leichter anstecken und schneller davon sterben

Wie viele Wochen hat es gedauert, bis das Problem verschwunden war? Oder wie viele Jahre?
Naja, bis viele geimpft worden waren, hat es lange gedauert. Wie gesagt, es gab kein gutes Konzept dafür. Also bis 2022 hat es gedauert

Mir wurde Angst machen, wenn jetzt in 2071 so ein Virus kommt und ich darf niemanden nah kommen und darf nicht mit meinen Freunden spielen. Wart ihr damals nicht traurig? War das eine schlimme Zeit? Oder war das eine gute Zeit, weil man nicht zur Schule musste?
Es war keine tolle Zeit, auf gar keinen Fall. Also von den Bedingungen hat man sich halt dran gewöhnt, aber es war es halt nicht schön.


Danke an Santi, Oscar, Jonathan, Jakob und Michel, dass sie den Opa gespielt haben.
Danke an Clara für die Fotos vom Kiez.
Dieses Gespräch wurde am 11. März 2021 in einer Videokonferenz aufgezeichnet. Zu der Zeit waren die Schüler der 5. und 6. Klassen  zum ersten Mal nach 3 Monaten wieder in der Schule. Die Impfkampagne hatte in Deutschland kaum angefangen.
Céline, alias Nick